Folge 2 der Reihe – Das Tetralemma der Leere – Vier Tore ins Grundlose – Eine poetisch-philosophische Serie über Auflösung, Haltlosigkeit und die Freiheit jenseits aller Gewissheiten.
Das Tetralemma (catuṣkoṭi) geht auf die Lehre Nāgārjunas zurück, den großen Meister des Mittleren Weges. Es beschreibt vier Positionen des Denkens – Es ist. Es ist nicht. Es ist und es ist nicht. Es ist weder noch. – die Schritt für Schritt jede Behauptung entziehen und in die Erfahrung von Leere führen. Diese Reihe lädt dazu ein, diese Tore nicht als logisches Spiel zu verstehen, sondern als innere Bewegung. Ein Weg, der nicht Halt schenkt, sondern Freiheit. Ein Atem in die Grundlosigkeit.
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Alles beginnt mit einer Behauptung: Es ist.
So nehmen wir die Welt wahr, so vertrauen wir unseren Sinnen, so baut sich unser Denken ein Fundament. Etwas tritt hervor, greifbar, sichtbar, scheinbar unverrückbar. „Es ist“ bedeutet Gewissheit, bedeutet Ordnung, bedeutet den ersten Halt.
Doch schon in dieser ersten Gewissheit liegt eine Täuschung verborgen. Was wir als „ist“ benennen, ist stets im Wandel. Formen verändern sich, Augenblicke vergehen, Körper verfallen, Gedanken ziehen weiter. Und doch klammern wir uns an die Idee, dass etwas bleibt, dass „es ist“.
Dieses erste Tor des Tetralemmas führt uns mitten hinein in die Gewohnheit des Geistes: festzuhalten, zu sichern, zu benennen. Es ist die natürliche Bewegung des Menschen – ein Schritt, den niemand überspringt. Doch wer innehält, wer das „Es ist“ genau betrachtet, erkennt, dass diese Gewissheit nicht unerschütterlich ist. Sie ist der erste Spiegel, der uns zeigt, wie sehr wir auf ein Fundament angewiesen sind, das längst nicht trägt.
„Es ist“ – und schon beginnt es zu vergehen.
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Diese Reihe findet sich wieder in Band XII – DIE FREIHEIT DES NICHTS
(Nāgārjuna – Tetralemma & der Mittlere Weg) aus der Buchreihe WEISHEITSWISSEN. / Kategorie: Spirituelle Philosophie & Weisheitsliteratur für den inneren Weg (erscheint Februar 2026)